Artikel aus dem Kreisboten vom 30. Dezember 2003
Rubrik:
LANDKREIS


Antrag ohne Schaden


Stadt will alternative Trasse zwischen Gauting und Starnberg prüfen lassen
Starnberg - Wenn der Autobahn-Südring kommt, dann will die Stadt Starnberg geprüft wissen, in wie weit eine alternative Trasse zwischen Gauting und Starnberg möglich wäre und welche Entlastung sie bringen würde. Mit einer knappen Mehrheit von 14:12 Stimmen setzte sich der entsprechende Antrag der Bürgerliste in der Stadtratssitzung vor Weihnachten durch.
   "Keiner, der heute die Hand hebt, legt sich in irgendeiner Weise fest", beruhigte Walter Jann von der Bürgerliste. Seiner Fraktion gehe es einzig und allein darum, "dabei zu sein, bevor der Zug abgefahren ist", sagte Jann. Wenn der Bayerische Landtag schon eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben habe und mit dem Gedanken eines Autobahn-Ringschlusses spiele, dann sollte die Kreisstadt mitreden und die Bürger Starnbergs nicht teilnahmslose Zuschauer sein.
   Jann geht davon aus, dass so oder so ein Autobahnring um München kommen muss. Zum einen weil schon heute mit zukünftigen Straßenverkehrsaufkommen gerechnet werde, die vom bestehenden Straßennetz nicht mehr aufgenommen werden könnten. Zum anderen prognostizierte Jann schon in wenigen Wochen durch die Erweiterung der EU um zehn Staaten eine dramatische Änderung der Situation. "Drei größere der neuen EU-Mitglieder, nämlich Tschechien, die Slowakei und Ungarn liegen nicht nur östlich der EU, sondern auch östlich von Bayern", so Jann. Fazit: München und damit auch dessen kleiner Satellit Starnberg liege direkt auf und zwar fast in der Mitte der Magistrale Paris-Wien-Budapest. Der Verkehr werde erheblich zunehmen.
Bild zum Artikel BLS-Stadtrat Walter Jann möchte einen stadtnahen Autobahn-Südring, um das Würmtal zu entlasten. Die Skizze zeigt den Vorschlag für einen Planungskorridor und die zu untersuchenden Trassen.

   Reinhard Dirr (SPD) lehnte den Antrag der Bürgerliste als "illusorisch" ab. "Mehrkosten in Höhe von mehreren Millionen Euro für eine andere Trassierung wird die Behörde nicht akzeptieren", spekulierte der Kulturreferent. Außerdem sprach er solch einem "Landschaft zerstörerischem Projekt, das uns von der Umgebung abschneidet und Brückenbauwerke über eine der schönsten Landschaftsteile unserer Stadt nach sich zieht" jeglichen Nutzen ab. "Verkehrlich wird die Trasse uns nichts bringen", führte Dirr ins Feld. Er befürchtete auch, das Verhältnis zu Nachbargemeinden zu belasten. "Bisher haben sie noch nichts gesagt", so der SPD-Stadtrat. Doch das liege vielleicht daran, dass sie uns bisher nicht ernst nehmen". Friedrich Urban von den Grünen fand den Autobahn-Südring von Haus aus schlecht. "Je näher er an Starnberg rückt, desto zerstörender wirkt er", so Urban. Auch Barbara Frey (CSU) wollte der Prüfung einer Stadtnahen Trasse nicht zustimmen: "Das ist ein Signal an die Adressaten, dass wir uns den Ring vorstellen können", sagte sie. Wegen des "Naturdenkmals Mühltal" wollte sie die Trasse aber auf gar keinen Fall.
   Zwar sah Hans-Peter Tauche (FDP) mit Zustimmung zum BLS-Antrag keine "Weichen gestellt", "aber der Antrag schadet weder noch nützt er viel", so der Liberale. Schließlich wurde der BLS-Antrag mit 14:12 Stimmen befürwortet.
aj





Kommentar:

"Erst mal nur prüfen schadet ja nichts" so lautet das erste Salamischeibchen so mancher Entwicklung, über die man später dann denkt "das wollten wir eigentlich nicht".
Da wehren sich Anrainer-Gemeinden eines diskutierten Autobahn-Südrings nach Kräften gegen dieses Damoklesschwert ... und was macht Starnberg? ... es bietet sich geradezu an ...
Jetzt hat Starnberg schon eine eigene Autobahn - ein durchaus zweischneidiges Privileg - und nun soll es noch eine bekommen? ... noch dazu durch's Mühlthal? Soll es hier bald so aussehen, wie in der Umgebung von Düsseldorf?

Es bleibt zu hoffen, dass höhere Stellen Starnbergs jüngsten Schildbürgerstreich nicht ernst nehmen, nicht nur wegen der zusätzlichen Baukosten, sondern auch damit die Benutzer eines Autobahn-Südrings (vielleicht Zigtausende täglich, die ja keineswegs alle etwas mit Starnberg am Hut haben) nicht alle einen "Schlenker" an uns vorbei machen müssten. Solche Umweg-Planung erinnert ja schon an die OPLA-Umfahrung ...

Noch mehr aber bleibt zu hoffen, dass das Gespenst Autobahn-Südring wieder in Mittelerde verschwindet. Wie hieß es doch neulich so schön im "Scheibenwischer": Wenn ein Statistiker jemanden beim Suppe-essen beobachtet, kann er sogleich berechnen, welch riesige Menge Suppe er im Laufe seines Lebens noch essen wird ...
Auch im Verkehrsbereich ist der Schluss von der Vergangenheit oder Status-quo auf die Zukunft nicht zulässig. Wer die Zeichen der Zeit zu lesen versteht, wie Klimaveränderungen (Stürme, Flut 2002, Dürre 2003 ...) oder knapper werdende Ölreserven (siehe z.B. aktueller Artikel Weniger Ölreserven bei Shell; Quelle: Spiegel oder Das Maximum der Ölförderung ist nahe!), dem wird klar, dass wir uns auf weniger Autofahren einstellen werden - ob freiwillig oder gezwungenermaßen - und nicht in irgendeiner fernen Zukunft, sondern nach nicht viel längerer Zeit, als auch bis zur Fertigstellung des Südringes vergehen würde.

Wer einen Autobahn-Südring um München für unausweichlich hält und einer immer weiteren Verkehrszunahme - etwa durch die EU-Erweiterung - nichts entgegenzusetzen weiß, sondern davor kapituliert, beweist nicht gerade Fantasie und Weitsicht.

16. Januar 2004

Wolfram Zucker

Siehe auch: ödp kündigt Proteste an