Artikel aus dem Kreisboten vom 30. Juli 2003
Rubrik:
STARNBERGER STADTKURIER


»Es geht ans Eingemachte«


Abschlussplenum zur Entscheidungsfindung in Sachen Starnberger Verkehr
Von ANDREA JAKSCH

Starnberg - Nach 14 Monaten mündete der von der Stadt Starnberg eingeleitete bürgeroffene Entscheidungsprozess für Verkehrslösungen in Starnberg in einem Abschlussplenum. "Nun geht es ans Eingemachte", sagte Vizebürgermeister Ludwig Jägerhuber (CSU) nach der rund dreieinhalbstündigen Veranstaltung in der Schlossberghalle. Noch im Herbst wird der Stadtrat endgültig seine Entscheidung treffen, mit welcher Variante der Verkehr in Starnberg in den Griff bekommen werden soll.
   150.000 Euro hat der Entscheidungsprozess die Stadt gekostet, wie Jägerhuber anführte - und das in schwieriger Haushaltslage. "Wir haben die Bürger ernst genommen", konstatierte der Dritte Bürgermeister Holger Knigge (SPD) und bezeichnete das Verfahren als "einen Prozess, um den uns manche andere Stadt beneidet".
   Diese Art Selbstbeweihräucherung war allerdings einigen anwesenden Bürgern zuviel - Tenor: Die Stadt sollte nicht so stolz auf das Verfahren sein, sondern auf die Ideengeber der alternativen Verkehrslösungen. Diese hätten Varianten entwickelt, auf die der Stadtrat "in 30 Jahren nicht gekommen sei. Erika Schalper ärgerte sich zum Beispiel mit den Worten: "Es ist nicht schön, wenn mir vermittelt wird, dass ich 150.000 Euro verbraten habe." Sie fragte nach, wie die Stadträte ansonsten zu ihrer Entscheidung gekommen wären. "Was hätte es gekostet, wenn wir nicht da gewesen wären?"
   Klar wurde an dem Abend, dass zumindest die Mehrheit der anwesenden Bürger eine Umfahrung von Starnberg wünschte. Nachdem sowohl der B2-Tunnel als auch die von OPLA/von Redwitz vorgestellte Umfahrung 84 Millionen Euro kosten, forderte Klaus Huber "meine Steuergelder am effektivsten einzusetzen". Wohl daran zweifelnd, dass der Stadtrat von dem "Amtstunnel" ablässt,

Bild zum Artikel Rot, grün oder gelb: Beim Runden Tisch wurden jede der sechs Verkehrsvarianten (Westspange, B 2-Tunnel, Blum'sche Seetunnel, Walther Straßentunnel, Walther Bahntunnel und OPLA/v.Redwitz-Umfahrung) untersucht (24 Kriterien) und mit entsprechenden Punkten versehen.
aj/Foto: Jaksch

obwohl dieser die Stadt erwiesenermaßen nur vom Durchgangsverkehr entlastet, diesen förmlich "zementiert" und auch keine städtebaulichen Potenziale für Starnberg bietet, forderte Huber: "Die Bürger sollen selber entscheiden, was sie haben wollen." Schließlich könne es "jenseits des Volkes keinen Souverän mehr geben", so der Starnberger Umfahrungsbefürworter.
   Allerdings steht der Realisierung der OPLA/von Redwitz Umfahrung der Naturschutz entgegen. Laut Peter Defahl von der unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt müssten für die Eingriffe in Landschaftsschutz-, FFH- und Naturschutzgebiete in einer Größenordnung von 18,5 Hektar Ausgleichs- und Ersatzflächen von 21,42 Hektar geschaffen werden. Aufgrund der "gravierend zu Buche schlagenden Eingriffe" prognostizierte Defahl als Ergebnis einer Verträglichkeitsanalyse: "Unverträglich mit dem FFH-Gebiet." Eine Befreiung von der Schutzverordnung sei nur aus "zwingenden Gründen" möglich (menschliche Gesundheit oder öffentliche Sicherheit). Dass der "Homo Starnbergiensis" hinter
EU-Normen zurückstecken müsse, wollte einemj weiteren Umfahrungsbefürworter nicht in den Sinn. Er fragte sich, ob "wir so eine verkrustete Gesellschaft sind, dass wir die zweitbeste Lösung (Amtstunnel) verwirklichen".
   Dagegen wehrte sich August Landthaler: "Was wollen wir unseren Kindern hinterlassen? Intakte oder zementierte Natur", fragte sich der Westtangentengegner und B 2-Tunnel-Befürworter und lehnte eine Umfahrung ab. Sein Mitstreiter Günter Schaller nannte es eine Illusion, dass die Umfahrung einen erheblichen Teil des Verkehrs aufnehme. Seiner Meinung nach habe man die Wahl zwischen "Abgasen zentral in der Stadt durch den Abluftkamin" (von 20.000 gefahrenen Kilometer) und einem Abgasgürtel um Starnberg (gefahrene Kilometer 200.000).
   Eine "Phantomdiskussion" nannte Kerstin Bernecker von der Landkreis-Agenda die Wortgefechte. Keines der Projekte sei zukunftsfähig, da 70% des Verkehrs "hausgemacht ist". Sie forderte einen Bruchteil des Geldes für die beabsichtigte Investition in andere Mobilitätsprojekte zu stecken".  aj